Erste Schritte mit Journaling Games und This Wretched Hunt of Mine

Beitragsbild von Alex Coggon (Artwork used with permission by Charles Ferguson-Avery of Feral Indie Studio)

Mir sagt A Thousand Year Old Vampire etwas. Es ist ein Journaling Game. Man spielt einen alten Vampir und erzählt die Geschichte durch Tagebucheinträge. Das war auch alles, was ich bis dahin wusste. Nun ist in diesem Zine Month Horse Girl und Dead Letter Society zur Finanzierung angetreten und vor allem letzteres sprach mich an. Von daher wollte ich mich an das Thema ran wagen und schauen, ob dies etwas für mich ist. Dass es gänzlich anders wird, als ein Ironsworn, war mir von vornherein klar. Aber das kann ja auch etwas Gutes sein!

Ein Journaling Game zeichnet sich dadurch aus, dass das Spiel, um ein Journal, ob in analoger oder digitaler, in Schrift, Ton oder Bild aufgebaut ist. Durch einen Mechanismus (z.B. ein Kartendeck) werden Ideen und Ereignisse beschrieben, welche die Geschichte vorantreiben. Daneben kann es noch weitere Regeln geben, die das Spiel nutzt. Im dt. Sektor gibt es u.a. Quill und English Eerie vom System Matters Verlag.

In meinem Fall schaute ich mir The Wretched und die Wretched & Alone Spiele an. Diese Spiele folgen dem Thema von Horror, Isolation und Situationen, die eher gegen die Spielenden und deren Figuren sich richten. Im Falle von The Wretched spielen wir die einzig überlebende Person auf dem Schiff The Wretched. Haben das Alien ins Weltall geblasen, aber damit nicht die letzte Bedrohung gelöst. Ich hab mich erstmal an This Wretched Hunt of Mine gewagt. Hier jagen wir eine Bestie, die uns etwas wichtiges nahm. Was dies ist und wie die Jagd verläuft, lernen wir erst im Laufe des Spiels kennen.

Ein solches Spiel am Beispiel This Wretched Hunt of Mine

In This Wretched Hunt of Mine spielen wir eine Person, die in einer abgelegenen Gegend alleine auf der Jagd nach einer Bestie ist. Diese Bestie hat uns etwas wichtiges genommen. Was, ist dabei am Anfang vielleicht noch gar nicht klar, wird aber spätestens im Laufe der Geschichte aufgrund der anregenden Texte in den Ereignissen oder aufgrund unserer Journaleinträge klar.

Das Spiel endet, wenn das Monster 10 Wunden erhalten hat oder der Turm fällt, was unseren Tod bedeutet.

This Wretched Hunt of Mine by Feral Indie Studios

Die Materialien

Wretched Spiele haben grundsätzlich drei Materialien, wobei eine lt. SRD auch mit einer alternativen Methode ersetzt werden soll:

  • Einen W6
  • Ein Kartendeck ohne Joker
  • Einen Holzblockturm, um Steine davon zu ziehen
  • 10 Marker

Der Holzblockturm sollte, so der Wunsch im Design Guide von Wretched & Alone, sollte durch etwas anderes ersetzt werden können. Der Grund hierfür ist, dass nicht unbedingt jede Person einen solchen Turm besitzt und die Einstiegshürde für das Spiel möglichst niedrigschwellig sein sollte.

Die Phasen

In This Wretched Hunt of Mine haben wir 3 Phasen:

  • Event: Hier wird mit dem W6 gewürfelt. Es werden dann so viele Karten vom Kartendeck gezogen, wie die Augen des Würfels zeigen. Dies sind die Ereignisse, die an diesem Tag stattfinden. Jede Karte hat dabei einen Eintrag im Regelwerk und beschreibt eine Szene, die uns mit Fragen zum Nachdenken und Geschichten spinnen animiert.
  • Hunt: In dieser Phase können wir auf die Jagd gehen. Das Monster zu erlegen, ist das ultimative Ziel. Dafür würfeln wir den W6. Es werden dann so viele Steine vom Holzblockturm gezogen, wie die Augen des Würfels zeigen. Sollte der Turm danach weiterhin stehen, erleidet das Monster eine Wunde und wir markieren dies, in dem wir einen der 10 Marker in unseren Vorrat legen. Sind alle 10 Marker bei uns, haben wir die Bestie erlegt. Fällt der Turm vorher, sterben wir. Es sei angemerkt, dass auch Ereignisse es notwendig machen, dass ein Stein vom Turm gezogen wird!
  • Journal: In dieser Phase rufen wir uns den Tag erneut ins Gedächtnis und notieren Erfolge, Hindernisse, wie die Jagd verlief und wie man sich dabei fühlt.

Die Ereignisse

Hauptkern des Ganzen sind die Ereignisse. Diese nehmen auch einen Großteil (4 Seiten) des Regelwerks ein. Jede Seite ist dabei einer der Farben der Karten zugeordnet. Für jede einzelne Karte gibt es dann Ereignisse und Szenen, die beschrieben werden. Ass und König haben dabei besondere Bedeutungen. Ein Ass ist meist ein positiver Effekt, der uns hilft. Im Falle vom Kreuzass finden wir etwas Nützliches und sollen beschreiben, wie wir es einsetzen. Zukünftig dürfen wir 2W6 bei der Jagd würfeln und das niedrigere Ergebnis wählen. Ein König ist ein negativer Effekt. Sollten wir alle 4 Könige gezogen haben, endet unser Spiel mit dem Tod.

Gezogene Karten werden auf einen Ablagestapel gelegt, außer wenn eine Karte sagt, dass wir diese vor uns auslegen sollen, um an sie erinnert zu werden. Somit können Ereignisse nur einmal eintreten, da die Karten nicht zurück gemischt werden.

Ein Beispiel für diese Ereignisse ist z.B. die Kreuz 3:

Deine Lebensmittel werden schlecht. Verdorben von der Zeit oder deiner Unvorsichtigkeit. Wie riecht es? Bist du immer noch hungrig? Ziehe einen Stein vom Turm. 

This Wretched Hunt of Mine, Kreuz 3

Spielbeispiel

Inhaltswarnung: Verlust, Tod, Gewalt, Rituale, Opferungen

Überspringe das Spielbeispiel und lese direkt das Fazit.

Bild von Kim Holm

Tag 1

Mein Name ist Kaljon und ich jage eine Bestie. Ich bin vorbereitet, aber ich weiß nicht, ob es ausreicht. Ich fürchte, ich werde diese Jagd nicht überstehen. Aber ich muss dieses Monster erlegen. Ich schreibe diese Zeilen für den Fall, dass ich es nicht zurückschaffe, so dass etwas, IRGENDETWAS von mir geblieben ist, um sich an mich zu erinnern. Wenn du dies liest, lasse alle wissen, dass ich es versucht habe und nicht still und heimlich in die Finsternis aufbroch. 

Das Monster ist nah, ich spüre es…

Tag 2

Mit leerem Magen kann ich dieser Ausgeburt des Bösen nicht gegenüber treten. Ich musste jagen oder Sträucher mit Beeren oder sowas finden. Hätte ich damals bei Mr. Dalbert aufgepasst, wüsste ich jetzt, welche Pilze gefährlich sind. Ich meide sie besser alle. Ich fand ein altes Lager. Es sieht aus als hätte es einem Wanderer oder einer Wandererin gehört. Ich konnte zumindest ein gutes und langes Messer finden. Bestimmt hilfreich, um das nächste Reh auszunehmen. Aber ich fühle mich beobachtete…

Ich suchte nach Spuren und spüre, dass mich etwas beobachtet. Ich rufe laut aus und bin mehr erschrocken von meiner eigenen Stimme als von einem Schwarm Raben, der sich aufgeweckt in die Lüfte erhebt. Viele Jahre bin ich auf der Jagd nach dieser Bestie, seitdem er meine Schwester von mir nahm, und durchstreife Berge, Wälder und Sümpfe. Ich kann an einer Hand abzählen, wie oft ich in der Zeit mich mit Leuten unterhalten habe. Meine eigene Stimme klingt so fremd und… kalt.

Meine eigene Stimme erinnert mich jedoch an die Gespräche mit Susannah. Sie nannte mich immer Jonnie. Sie liebte Felder voll Lilien und verbrachte Stunden, um sie zu malen. Ich lag meist gegen einen Baum gelehnt und beobachtete sie dabei, sprach zu ihr, lachte mit ihr…

ES versuchte mich in dem gedankenverlorenen Moment zu überraschen. Meine Klinge blitzte auf, in dem Augenblick als mein Körper auf die warme Luft reagierte, die ES ausstieß. Ich schnitt durch das Fell ins Fleisch des Monsters und färbte es rot. Das feige Vieh verzog sich, anstatt den endgültigen Kampf auszutragen.

Tag 3

Dieser Berg erinnert mich an unsere Heimat. Wir halfen, seitdem wir 8 Jahre alt waren, häufig Vater bei der Jagd im Wald nahe unseres Hauses. Wir, Vater, Susannah und ich, lebten am Fuße eines größeren Hügels und lernten schnell die Tücken einer unsteten Landschaft kennen.

Doch die Stille riss mich aus meinen Gedanken. Noch nicht mal ein Tier war zu hören. Kein gutes Zeichen. Die Stille war schon fast erdrückend und meine Muskeln spannten sich an. Fast so als würde mein Körper vor mir wissen, dass ES in der Nähe ist.

Da ich das Gelände noch nicht gut genug kenne, kann ich nicht aufhören vorsichtig zu sein. Jeder Schritt fühlt sich an als hätte ich drei getan. Es ist frustrierend und ermüdend. Ich hörte bei meiner Wanderung heute ein tiefes Heulen, was in einen gackernden Rhythmus verfiel. Lacht ES über mich?

Genervt und gedemütigt, wanderte ich heim. Die Spuren endeten. ES scheint sie verwischt zu haben. Kluges Miststück. Aber das Heulen… ich schlich mich in die Richtung, wo es her kam und konnte zwischen einem Busch ES umherwandern sehen, gerade über einen Hirsch gebeugt, das Maul rot vom Fleisch und Blut der Beute. Ich legte meinen Bogen an und schoss. Ein Streifschuss in den Oberschenkel und ein boshaftes Funkeln in Augen des Monsters. Aber erneut flüchtete es tiefer in die Natur des Berges.

Tag 4

Es begann alles damit, dass meine Schwester Susannah den Adeligen Derek kennenlernte. Zu dem Zeitpunkt wusste niemand von dem dunklen Geheimnis, dass Derek mit sich trug. Ich erwischte ihn, nachdem er vollständig seine menschlichen Züge ablegte, wie er seine Geliebte und meine Schwester ausweidete. Es war nicht mehr Derek, es war etwas anderes. Ich wollte sie sofort rächen, aber nur ein kurzer Schlagabtausch und ES warf mich gegen die Wand, wo ich mein Bewusstsein verlor. Mir wurde der Mord an meiner Schwester angehangen und ich floh aus der Stadt. Nahm die Spur von dem Monster auf, dass mir die liebste Person auf der Welt nahm…

Genug von der Vergangenheit. Heute fand ich einen Ritualstein in einer Grube. Altes Blut und zerfetzte Seile liesen sich noch erkennen. Ich fand noch Finger einer Person im Dreck. Gibt es hier jemanden, der Opfer für ES gefangen nimmt und darbietet? Ein starker Regen platzte hervor, kurz nachdem ich mir den Ritualplatz anschaute. Zufall? Ich glaube nicht! Ich begab mich auf die Suche nach einem Unterschlupf. Ein Fieberwahn ist das Letzte, was ich kriegen sollte. ES wird kein leichtes Spiel mit mir haben! Wobei mich der Regen daran erinnerte, dass eine Zeichnung auf dem Ritualstein ES zeigte, beide Hände in der Luft und direkt unter einer Wolke. Kann es… Gewitter heraufbeschwören?

Die Siedlung

Auf meiner Suche nach einem Unterschlupf stieß ich auf eine kleine Siedlung. Lediglich 3 Häuser stehen hier. Ich wurde herzlichst aufgenommen, obwohl die Leute sehr verschlossen sind. Ich kann es ihnen nicht verübeln, so abgelegen wie sie hier auf dem Berg leben. Soweit ich es sehen kann, leben sie von dem, was der Berg ihnen gibt. Tiere, Pflanzen, Wasser vom Fluss. Sie tragen dicke Felle und haben Trophäen vor und im Haus hängen. Eine Frau mit kräftiger Statur, die erfolgreichste Jägerin, wie es scheint, gab mir einen Platz in ihrem Holzlager. Wir wechselten nicht viele Worte, aber als ich den Ritualplatz ansprach, endete das Gespräch. Mehr als einen leichten Schlaf kann ich mir diese Nacht wohl nicht erlauben…

Das Brechen eines Asts weckte mich. Die Jägerin näherte sich, wollte sie mich umbringen? Ich werde es erstmal nicht erfahren. Die Bestie kam ihr zuvor und wolte mich im Schlaf überraschen. Zum Glück hatte ich ein paar der Hölzer angespitzt und in den Boden gerammt und mit Dreck verdeckt. Ich hörte noch das schmerzerfüllte Wimmern als ES in sie trat. Ich nahm direkt meinen Rucksack und lief zurück in den Wald. Waren diese Menschen mit der Bestie verbunden? Was verbindet sie mit diesem Wesen?

Tag 5

Nicht viel passierte heute. Aber ich beobachtete die Siedlung und wahrhaftig, ES lies sich dort einige Wunden versorgen. Ich legte einen Hinterhalt. Zur späten Abendstunde konnte ich ES so mit einem getöteten Fuchs locken und sprang dann von einem Ast auf ES hinab. Ich merkte, wie mein Bein sich erhitzte und Blut austrat. Das Vieh konnte mich noch mit einer Pranke erwischen, bevor ich eine fiese Fleischwunde mit meiner Axt an dessen Seite verursachte. Der Mond war nur halb zu sehen und es kam mir so vor als konnte ich heute ES viel leichter überwältigen. Schwächelt es aufgrund der etlichen Wunden, die ich in den letzten Tagen zugefügt habe, oder hat es etwas mit dem Mond auf sich?

Tag 6

Mitten durch die Nacht floh ich. Ich hatte kein Licht, aber sicherlich konnte es mich riechen. Dennoch… ich merkte, dass es mich verfolgte, aber es schlug nicht zu. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es das gekonnt hätte. Wollte es mich nur treiben, wie ein Bauer sein Vieh?

Hätte ich gewusst, dass alles so endet, hätte ich damals schon viel früher die Stadt aufgesucht. Ich hätte ein ordentliches Leben geführt, Hölle vielleicht eine Familie gegründet. Mit etwas Glück hätte ich weniger Zeit mit meiner Schwester verbracht oder sie zumindest das Stadtleben erfahren lassen können. Dann hätte jemand wie Derek vielleicht weniger Einfluss und Glamour auf sie ausgeübt.

Zum Glück hab ich die alte Karte, die ich als Kind von den Sternen angefertigt und anhand unseres Heimatberges ausgerichtet habe. Sie erwies sich als unersetzlich. Mit ihr kann ich zumindest bestimmen, in welche Himmelsrichtung ich gehe.

Als ich zum Lager zurückkehrte, merkte ich, dass mein Seil fehlt. Spuren von dem Monster deuten darauf hin, dass ES hier war.

Mein Reh wäre eh schlecht geworden. Gut, dass ich zumindest noch etwas Efeu reinmischen konnte. Scheinbar hat ES vom Reh gefressen. Soll es am Gift der Pflanze ersticken! Ich wusste, dass ich mich wieder auf die Jagd nach etwas essbarem begeben muss. Jetzt mit auch dieser Siedlung von Menschen im Nacken, könnte sich dies als gefährlicher herausstellen als zuvor…

Tag 7

In der Nacht vom 6. auf den 7. Tag schlug meine letzte Stunde. ES kam wie die rauen Nordwinde, unaufhaltsam, gefühllos und kalt auf mich zu. Ich wehrte mich standhaft, aber jede Sekunde fügte mir einen weiteren Schnitt auf meinem Körper zu und Kälte trat aus den Wunden hervor. Es war fast so, als würde ich bei lebendigen Leibe erfrieren. War es Kushoon, der erbarmungslose Sturm, eine Verkörperung der mächtige Winde selbst? Von Derek zu diesem Wesen und jetzt einem Aspekt der Luft selbst? Hab ich mich übernommen? Hat der Wunsch nach Rache für Susannah mich letzten Endes alles gekostet, was ich noch hatte, und dennoch nichts gebracht?

Mein Name ist Kaljon. Vergisst mich nicht. Vergesst meine Schwester nicht, Susannah. Diese Worte sollen beweisen, dass ES die Personifikation des erbarmunglosen Sturms Kushoon ist, ich ihn fand und an ihm zugrunde ging.

(der letzte Eintrag ist krakelig in roter Farbe geschrieben.)

Der morgendliche Angriff eines rauen Nordwindes

Fazit

Ich bin überrascht, wie viel Spaß es brachte. Auf sich alleine gestellt eine Geschichte zu erzählen, ist für mich immer herausfordernd und anstrengend. Sobald ich aber bei Tag 2 angekommen bin, flossen die Worte förmlich aus mir raus. Die Mechanik des Wretched & Alone Spiels fand ich sehr elegant. Einfach, spannend und in jedem Haushalt zu finden. Im Falle von This Wretched Hunt of Mine ist der Holzblockturm ein Muss (!), da es keine alternativen Regeln gibt. Ich hoffe, dass Dead Letter Society genauso viel Spaß bringen wird, vor allem, da es auch einen Modus für zwei Leute gibt. Gleichzeitig möchte ich jetzt auch The Wretched ausprobieren und hab auch schon gesehen, dass Rites of Vengeance als Wretched & Alone Spiel gelobt wurde. A Thousand Year Old Vampire als eines der prominenteren Spiele des Genres ist bei mir definitiv höher in der Prioliste gewandert und vielleicht kann ich ein oder zwei der Ideen, die ich noch nicht gut in Abenteuer formulieren konnte, in ein Journaling Game verpacken.

Das könnte dich auch interessieren …

Kommentar verfassen