Rezension zu Arium: Create

Nach unseren letzten sehr Fate-Core lastigen Runden durch u.a. Seelenfänger, wollten wir eine Runde Honey Heist spielen, damit keiner etwas großartiges vorbereiten musste. Da wir nach Honey Heist noch etwas Zeit hatten und eh einmal Arium:Create als Method fürs World-Building ausprobieren wollten, machten wir uns also spontan daran. Am Tisch gab es auch Erfahrung mit Microscope, weswegen Arium in direkter Konkurrenz dazu stand.

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Kurz und Knackig:

Arium:Create ist ein Werkzeug für World-Building in 1 – 2 Stunden. Über sieben Schritte werden immer dieselben drei Phasen durchlaufen: Timed Ideating, Collaborating, Voting. Die sieben Schritte sind dabei Lacunae, Universal, Big Picture, Cultures & Organizations, Landmarks, People, Goodies. Arium:Create fördert eine sichere Umgebung und motiviert zum Einsatz von weiteren Safety-Tools. Den Autoren ist wichtig, dass alle im entstandenen Arium spielen wollen und keiner sich unwohl fühlt. Abänderungen von Ideen anderer werden durch Rücksprache mit dem Ideengeber und der Improvisationsregel „Ja, und…“ ermöglicht. Insgesamt ist es ein sehr kollaborativer Schaffensprozess, der an Methodiken aus Business-Meetings erinnert, aber diese für den kreativen Prozess der Welterschaffung nutzt.

Als Beispiel haben wir das Ergebnis unserer Testrunde in ein Trello übertragen (und weil wir uns nach Monaten noch daran erinnern wollen für Arium:Discover).

Bildquelle: Adept Icarus

  • Verlag: Adept Icarus
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Englisch
  • Seiten: 52
  • Format: PDF
  • Preis: 7,50 $ oder im Bundle mit Discover für 12 $ oder gedruckt für 14,95 $
  • Erhältlich bei: Adept Icarus / DriveThruRPG*

Das Buch

In den 52 Seiten wird ohne groß zu schwafeln erläutert, wie das Prinzip von Arium:Create funktioniert. Die Autoren gehen sehr stark darauf ein, dass es ein kollaborativer Prozess ist und wir im Einvernehmen aller ein Arium bauen. Daher werden Safety-Tools noch über das in Arium zu findende Lacunae empfohlen. An mehreren Stellen wird darauf hingewiesen, dass wir betroffene Personen befragen, bevor wir eine Entscheidung fällen oder eine Idee mit den Creation Tokens verändern. Es soll ein Arium für alle entstehen.

Schön ist auch, dass ein Beispiel zum Ende des Buches gegeben wird, um den Prozess noch einmal schriftlich in Dialogform vorzustellen. Es wird auch noch eine Art Tutorial vorgeschlagen, wo wir das Prinzip anhand zweier Schritte (Was sind die 3 besten Filme aller Zeiten / Welche Charaktere oder Schauspieler aus einem der gewählten Filme sind am besten?) durchspielen. Das half allen bei der abstrakten Vorstellung des Prinzips in einer kurzen Testrunde ein Verständnis für die nächsten 1 – 2 Stunden aufzubauen :-).

Das Layout vom Buch ist sehr farbenfroh und bietet immer kleine Boxen als zusätzliche Informationen. Alles in allem war es schnell, schön und einfach zu lesen.

Als Zusatzmaterial wird ein Ergebnisbogen und Referenzbogen geboten. Der Ergebnisbogen ist für die Zusammenfassung der einzelnen Schritte. Für jeden Teilnehmenden kann man einen Referenzbogen austeilen, damit für alle ersichtlich ist, in welchem Schritt/Phase wir uns befinden und was als nächstes kommt. Kurze Erläuterung über Schritte und Phase finden sich auch dort als Anhaltspunkte für alle Teilnehmer.

Ein kurzes Wort über Creation Tokens

Jeder Spieler bekommt drei Creation Tokens. Die Form ist dabei egal. Die Tokens geben die Möglichkeiten an, wann man Ideen mit der „Ja, und…“ Regel erweitern darf. Somit hat man begrenzte Möglichkeiten in Ideen anderer einzugreifen.

Sollte man die Tokens nicht benötigen, können die später für die Charaktererschaffung in Arium:Discover verwandt werden.

Bei unserer ersten Testrunde bleibt zu sagen, dass wir die Tokens nicht gebraucht haben und schon zufrieden mit den Ideen waren, die auf den Tisch kamen.

Die Creation Phases

Arium:Create definiert drei Phasen, die für jedes der sieben Schritte angewandt werden. Diese Phasen sollen die Ideenfindung, Diskussion und Zusammenarbeit fördern.

Bildquelle: Arium Kickstarter

Timed Ideating

In der ersten Phase wird Brainstorming betrieben. Innerhalb einer vorgegebenen Zeit, welche die Spielleitung vorher mitteilt, werden von jedem Spielenden und Spielleitung drei Ideen auf ein Post-It oder kleinen Zettel (z.B. Karteikärtchen) geschrieben. Die Schreibfläche dieser Notizzettel ist bewusst klein gewählt, damit man keine Romane aufs Papier bringt, sondern eine kurze, prägnante Idee. Die Rule of Cool kann hier natürlich gerne Anwendung finden 🙂

Collaborating

Die entstandenen Ideen werden in der nächsten Phase dann von der Spielleitung gruppiert und sortiert. Gleichartige Ideen werden so in Abstimmung mit den Spielenden zusammengefasst. Sind die Kärtchen gruppiert, werden diese in eine Reihe gelegt. Jedes Kärtchen oder Gruppe von Kärtchen in der Reihe kann man als Spalte in einer Tabelle betrachten, was für die nächste Phase relevant ist.

Hier kann es auch hilfreich sein, wenn jeder seine Ideen vorstellt oder bei Unklarheit erläutert. Bei uns entstanden hier schon recht gute Diskussion und weitere Ideen basierend auf den ausliegenden Ideen.

Voting

In der dritten Phase wird abgestimmt. Jeder Teilnehmende erhält dafür ganz demokratisch eine Anzahl von Stimmen die berechnet wird über: Anzahl der Spalten / Anzahl der Teilnehmer (abgerundet). Bei 12 Spalten und vier Teilnehmenden hat jede Person also 3 Stimmen.

Wenn alle Stimmen verteilt wurden, diskutiert die Gruppe ab welchem Schwellwert Ideen nun ins Arium übernommen wurden. Der Rest wird verworfen. Die Idee hierbei ist, dass wir festlegen, wie viele Stimmen aus der Gruppe sich für eine Idee aussprechen müssen, damit sie aufgenommen wird. Natürlich auch hier in Rücksprache mit all jenen, die nicht für eine Karte gestimmt haben. So stellen wir sicher, dass nicht jemand ein Problem mit den Ideen hat, sondern sie vielleicht einfach nicht so gut wie andere fand.

Über das Voting füttern wir also unser Arium, unsere Welt, mit Ideen, die von der Gruppe akzeptiert und bevorzugt werden.

Wir haben in unserer Testrunde von Arium:Create je Themengebiet einen Schwellenwert nach dem Voting festgelegt. Für uns war manchmal die Frage, ob wir nur Kärtchen mit drei Stimmen oder mehr aufnehmen oder auch schon ab zwei Stimmen.

Bei drei oder mehr Stimmen war entweder die gesamte Gruppe einverstanden mit einer Idee oder zumindest alle bis auf eine Person. Bei zwei war es nur noch die Hälfte der Gruppe. Stellte sich aber auch heraus, dass man häufig andere Ideen bevorzugte.

In einem Fall haben wir auf Wunsch eines Spielenden Kärtchen verworfen, die Stimmen hatten, da die Ideen im Big Picture nicht ansprechend waren. Da wir in den Ideen beim Big Picture die Plot-Hooks sahen und die stärker bewerteten als „Main-Plot“ und die weniger stark bewerteten als „Side-Plot“, waren wir uns alle schnell einig, dass wir gerne ausschließlich auf die höher bewerteten Ideen setzen, ohne dass wir etwas verlieren oder jemanden vor den Kopf gestoßen wurde.

Die Schritte

Es gibt sieben Schritte, die wir in einem Drilldown- oder Top-Down-Ansatz durcharbeiten. Wir kommen vom Abstrakten zum Konkreten und genau so steigt auch der Detailgrad. Das erste Thema ist besonders, weswegen es auch als Schritt 0 bezeichnet wird.

Lacunae

In Lacunae (Luh-KYOO-nee) klären wir die Frage: Was kommt nicht in unser Arium? Die Grundidee ist, dass wir diesen Schritt als ein Sicherheitsnetz betrachten. Alles was hier erfasst wird, soll nicht Teil unserer Welt oder Geschichte sein, da jemand ein Problem damit hat. Egal was für ein Grund dahinter steht.

Dabei können Symbole benutzt werden, die angeben, ob ein Lacunae durch eine Alternative ersetzt werden kann oder als Veil im Hintergrund und damit außerhalb der Szene angedeutet werden kann oder ob es nicht zur Diskussion steht und nicht existieren darf.

In diesem Schritt wird nur Timed Ideating betrieben und das auch ohne Zeitlimit, also quasi nur Ideating. Sobald niemand mehr etwas schreibt, endet dieser Schritt. Es gibt keine Diskussionen (außer es werden Symbole eingesetzt) über die Punkte und auch keine Rückfragen, warum etwas aufgeschrieben wurde. Ein Voting entfällt auch.

Universal

Ab hier geht der geregelte Betrieb der drei Phasen los. In Universal klären wir das Genre, den Flavor und auch den Ton des Settings. Spielen wir Grim-Dark Space-Vikings oder doch eher Urban-Fantasy mit Geisterwesen?

In Universal bleiben wir möglichst noch grob, um in Big Picture mehr auf die Hintergründe einzugehen. Universal dient meist dem Finden von Genre und grober Setting Idee.

Sollte das Setting vorher schon feststehen, kann man hier entsprechend dann im Setting den Ton oder Fluff erörtern. Sollte also Scifi als Genre feststellen, könnte man hier überlegen in welche Richtung es geht: Erkundung, Handel, politische Auseinandersetzungen usw.

Big Picture

Im Big Picture definieren wir mehr über die Welt. Wie groß ist unsere Welt? Spielt unser Arium in einer Stadt oder in einem Land, Kontinent usw. Gibt es Krieg oder welche Story-Hooks können wir aus Ereignissen entnehmen? Gab es vielleicht eine neuentdeckte Technologie, die das Leben veränderte? Oder einen Unfall, der die Machtverhältnisse der Politik und die Lebensweise der Menschen änderte? Wie verbreitet ist Technologie oder Magie und wie ist deren Einfluss auf unser Arium?

Wie man merkt schmücken wir nun unser Setting aus. Was macht unser Setting besonders oder wo liegen die Hauptthematiken?

Culture & Organization

In diesem Schritt widmen wir uns den Organisationen und Kulturen unseres Ariums. Geheimgesellschaften, Gesellschaftsschichten aber auch andere Traditionen von verschiedenen Kulturen können hier reinspielen. Aber auch Institutionen, Schulen oder Legenden und Glaubensrichtungen. Grundsätzlich also alle Punkte, die kulturell entscheidend sowie prägend sein können.

Landmarks

Orte von Relevanz ist wohl die Kurzfassung von diesem Schritt. In diesem Schritt sind Orte gemeint, die man auf einer Karte mit dem Finger zeigen könnte. Damit ist jedoch nicht zwingend gemeint, dass all diese Orte erreichbar oder bekannt sein müssen. Warum nicht eine unentdeckte Insel, welche Teil von Legenden bislang war?

Wichtig ist, dass sie für die Narrative auch eine Relevanz bilden. Das Rathaus ist bestimmt Teil der Stadt und auch auf einer Karte zu finden, aber was bietet das Rathaus für die Geschichte? Vielleicht ist es die Fassade für einen korrupten Bürgermeister, der von der Mafia geschmiert wird?

People

Welche Personen leben in unserem Arium? Hier geht es darum konkrete Charaktere zu erschaffen. Hilfreich sind Stichpunkte wie der Name, Pronomen, Eigenheiten und Beschreibungen der Personen. Es können dabei auch Charaktere herauskommen, die man später spielen möchte oder aber einfach coole NSCs sind.

Spätestens ab hier wird der begrenzte Platz auf den Kärtchen bemerkbar. 😉

Goodies

Der letzte Schritt sind die McGuffins. Gegenstände, Fahrzeuge und sonstige materielle Dinge, die wichtig für die Narrative sind oder einfach nur cool.

Was nach der Erstellung?

Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels von Arium:Create ist das ergänzende Arium:Discover noch nicht erschienen. Dies soll ein kleines Universal-Regelwerk bieten, um das erstellte Arium direkt spielen zu können. Die Autoren gehen aber auch davon aus, dass man sich ein Regelwerk der Wahl später nimmt, um das Arium noch länger zu bespielen. Discover soll einen Einstieg bieten, um das Arium zu entdecken.

Bildquelle: Adept Icarus

Arium:Bridge ist ein Kickstarter Stretchgoal, welches zeigen soll, wie man das Arium mit Regelwerken wie Fate und 5e kombinieren kann.

Fazit

René als SL

In Arium:Create übernimmt die Spielleitung die Moderation des Prozesses. Aus dem Agile-Bereich kommend, findet man sich sehr schnell in diesen Ansatz rein, da Retrospektiven und andere Werkzeuge eine stark ähnliche Herangehensweise haben. Aber nichts, was die Autoren verstecken.

In meinen Augen funktioniert dieser Ansatz auch hervorragend für das World-Building. Alle Teilnehmenden auf eine gleiche Seite zu holen, zu besprechen und festzulegen, was einem nicht zusagt oder definitiv nicht ins Arium gehört, baut ein Verständnis für das zu entstehende Arium auf. Im Gegensatz zu einem Setting, was genommen wird und womit man leben muss, baut man mit Arium:Create eine Welt für die eigenen Bedürfnisse der Gruppe.

Es fühlte sich keiner bei uns am Tisch unter Zeitdruck und Diskussionen verliefen auch sehr zielführend und zu schönen Ideen, wie etwas in die Welt kam. So haben wir bei Landmarks eine Werkstatt erfunden, die die größten und schnellsten Schiffe baut, aber vielleicht die Opposition zur Gilde der Mechatronik ist, welche eine sehr hohe gesellschaftliche Stellung haben und vermutlich auch die besten Ingenieure haben. Aber was, wenn die modernsten und schnellsten Schiffe eben nicht aus ihren Hallen kommen?

Das Voting endete lediglich bei People und Goodies in einem: „Wir nehmen einfach alles, ok? Ich kann mich nicht entscheiden.“ Weil die Ideen für uns alle einfach cool waren und ins Setting passten. Nicht verwunderlich, da wir schon sehr tief in unsere Welt eingetaucht sind und von der ursprünglichen Scifi / Steampunk Idee in Universal auf einen Konflikt zwischen Regierung und Piraten kamen sowie Bibliotheken mit eventueller K.I. sowie einem Gentlemens Club als Geheimgesellschaft.

Kurzfassung

Alles in allem empfand ich Arium:Create als einen sehr ergiebigen Ansatz, der sich nicht anstrengend anfühlt, Spaß macht und sehr zur Kollaboration anbietet. Durch Lacunae und das Voting hatte ich auch nicht das Gefühl ein Veto-Recht zu brauchen, was das ganze System zu einem weniger destruktiven Ansatz macht, wo ich die Ideen anderer kaputt mache.

Für die 7,50 $ lohnt sich Arium:Create auf alle Fälle. Klare Kaufempfehlung! Da Discover noch nicht erschienen ist, kann ich nicht sagen, ob sich das Bundle für 12 $ lohnt. Sobald Discover erhältlich ist, werden wir unser Arium mit diesem kurze Universal-System auch bespielen!

Benjamin

Mit Arium habe ich neben Microscope jetzt das zweite, reine Weltenbau-Spiel ausprobieren können. Beide verfolgen dasselbe Ziel, gehen aber andere Wege: Wo Microscope über zeitliche Zusammenhänge Konsistenz erschafft, steht bei Arium die Erschaffung von Elementen der Welt (Schauplätze, Personen, Gesellschaften, Gegenstände) im Vordergrund. Der dafür notwendige kreative Konsens wird über bewährte Brainstorming-Techniken erzielt, die sicherstellen, dass jede Idee zunächst gleichwertig aufgenommen wird. Ein erfrischender Ansatz im Worldbuilding-Bereich!

Katrin

Erstes Mal Worldbuilding für mich und ich kann mir eigentlich kaum einen besseren Ansatz als den von Arium vorstellen. Schnell verstanden und sehr kooperativ, auch wenn mich manchmal meine Kreativität verlassen hat.

Sebastian

Ariums grob-dann-Detail Ansatz der Kreierung von Welten zusammen mit Freunden am Tisch funktioniert erstaunlich gut und ist unterhaltsam. Und das obwohl mich den Name immer an South Parks Plane’arium erinnert.

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