Spielbericht zu Wildcard – Born to Race (New Hong Kong Story)

Zwischenzeitlich sind die Beschränkungen für private Treffen wieder etwas gelockert und die Inzidenz glücklicherweise auch wieder geringer. So kam es, dass wir uns bei sonnigstem Wetter auf der Terrasse trafen und endlich unsere schon angekündigte sowie langersehnte Runde New Hong Kong Story spielen konnten. Wir griffen zu den Con Schauspielern, da wir direkt los legen wollen.

Zur Auswahl standen Operation Helios, Wildcard – Born to Race und das Bündnis. Aber zu meiner Überraschung fiel die Wahl auf den Racing Kurzfilm Wildcard – Born to Race. In diesem Spielbericht wollen wir anhand von Wildcard – Born to Race auch ein Feedback zu New Hong Kong Story und damit ein abrundendes Bild zur schon vorher erschienenen Lese-Rezension bieten.

Die Bilder aus diesem Artikel entstammen dem Kurzfilm Wildcard – Born to Race und sind Eigentum vom Blackmask Verlag.

 Spoilerwarnung

In diesem Beitrag werden Teile der Handlung verraten. Überspringe „Was erwartet uns in diesem Kurzfilm?“ für eine spoilerfreie Aussage über das Szenario.

Im Kurzfilm „Wildcard – Born to Race“ übernehmen die Schauspieler die Rollen von Fahrern und Mechanikern eines kleines Rennteams [sic] aus Hong Kong, die bei der Macau Championship mit zwei Tourenwagen teilnehmen. Obwohl das Team sehr klein ist, kann es vorne an der Spitze mit den großen Teams mitfahren. Ihre Zeiten auf der Strecke sind beeindruckend und setzen die anderen Teams unter Druck.


Das Publikum kann sich in „Wildcard“ auf qualmende Reifen, spektakuläre Martial-ArtsKämpfe und eine Menge Action freuen. Start your engines.

Einleitung von Wildcard

Was erwartet uns in diesem Kurzfilm?

In Wildcard – Born to Race geht es um die Macau Championship, einem Rennen inmitten des Monte-Carlo des Ostens. Die Schauspielenden nehmen die Rollen von Cannon und Turbo sowie ihrer Crew ein. Alle kommen derzeit bei Onkel Wu und in seiner Werkstatt unter. Cannon und Turbo teilen auch die Vorliebe für quietschende Reifen und die aufregende Welt des Motorsports mit Onkel Wu. Überraschenderweise sind die beiden mittels einer Wildcard zur Macau Championship zugelassen. Unter dem Namen des Wu Racing Rennstalls fahren sie für die Werkstatt ihres Onkels.

Die ersten drei der acht Seiten des Kurzfilms erläutern den Hintergrund des Films, der Rollen, Nicht-Schauspieler-Charaktere und der Schauplätze. Erst nach einem Intro und einer Rückblende, die man schon fast so einfach den Schauspielenden als erste Szene vorspielen und darstellen kann, um in den Film einzusteigen, beginnt die erste Szene der Schauspielenden.

Kurzübersicht der Szenen

Der Film beginnt mit dem Team wartend auf die Bekanntgabe der Qualifikation. Hier lernen die Rollen auch Victor Lau, einen Konkurrenten und Antagonisten im Film kennen. Unwissend für die Rennfahrer*innen ist, dass Victor Lau der Sohn vom Boss der Liu-Bei-Triaden ist und versucht seine Konkurrenz zu sabotieren, um das Rennen zu gewinnen. So auch in der nächsten Szene.

Bei der Rückfahrt mit einem Trailer, um die Rennwagen zurück zur Werkstatt zu bringen, entbrennt ein hitziger Kampf mitten auf der Fahrt als schwarze Motorräder sich nähern und dunkel gekleidete Männer und Frauen mit Metallstangen und -Ketten versuchen die Wagen zu demolieren.

Nach dieser actionreichen Szene kommt die Crew mit den demolierten Wagen in der Werkstatt an und hat nur wenige Tage Zeit, um die Rennwagen wieder flott zu machen. Das Rennen steht an! Aber kurz vor dem Rennwochenende findet ein Überfall der Liu-Bei-Triaden auf die Werkstatt statt und diesmal versuchen sie sogar die Werkstatt anzuzünden!

Nachdem dieser finstere Plan vereitelt wurde, beginnt der Renntag. Einem Kurzfilm gebührend endet aber auch dieser Film in einem Rennen gegen die Zeit. Mitten während des Rennens von Canon und Turbo erhält die Crew in der Box eine SMS von einer unbekannten Person. Eine Bombe soll unter den Wagen von Wu Racing angebracht worden sein. Es bleibt nicht genug Zeit, um das Rennen zu gewinnen und die Bombe zu entschärfen. Die Crew muss also herausfinden, wer die SMS sendete, wo sich die Person befindet und den Zünder in ihre Gewalt bringen. oder unschädlich machen, um ihre Freunde zu retten.

Die guten Seiten

Der Kurzfilm hat einen sehr guten Einstieg und holt die Regisseur*in sowie Schauspielenden super ab. Charaktere werden schön dargestellt und die Geschichte ähnelt wundervoll einem Drehbuchskript. Die Länge ist auch sehr angenehm und Szenen werden in ausführlicher Länge sowie Kürze beschrieben. Ich weiß nicht, ob wir einfach zu lange in der Verfolgungsjagdszene hingen, zu viel Spaß hatten oder der Kurzfilm nicht für eine Session ausgelegt ist, aber das Weglassen, Kürzen und Abändern von Szenen funktionierte reibungslos und brach nicht den Film. Es gab genügend Szenen für Action, einige Szenen für Rollenspiel und eine Story, die dem Genre gerecht wurde.

Das Regelwerk spielte sich flüssig und im Kampf bzw. in Actionszenen fühlte es sich so an als würden alle am Tisch mehr im cineastischen Gedanken schwelgen und wieder klassisch beschreiben, wie sie etwas machen wollen, anstatt einfach anzusagen: „Ich schlage zu“. So wurden Statisten über Relings geprügelt, mit Autotüren vermöbelt und von Motorrädern getreten. Selbst als Fahrer*in eines LKWs kam Action auf. Jeder suchte den nächsten coolen Stunt, um einen großartigen Film zu drehen.

Sehr cool ist auch, dass Charaktere mit mehr als zwei Aktionen ihre weiteren Aktionen erst ausführen können, nachdem alle Figuren ihren ersten zwei Aktionen abgehandelt werden. Im Gegensatz zu anderen Rollenspielen hatten so auch die Statisten noch eine Chance zu einem Gegenangriff, bevor sie einfach weggeprügelt wurden.

Die schlechten Seiten

Es gibt nicht viele schlechte Seiten. Vielleicht hätte man den Kurzfilm mit ein paar Stichpunktlisten ausstatten können anstatt Fließtexten. Szenenbeschreibungen könnten so übersichtlicher und kompakter gestaltet werden. Kein Problem jedoch, was nur New Hong Kong Story betrifft.

Die Story hätte es vielleicht etwas bereichert, wenn die optionale Idee, dass Teile zur Reparatur der Wagen fehlen und vom Sponsor bezahlt werden müssen, ein fester Bestandteil des Films gewesen wäre. Das Geld beim Sponsor zu erbitten, hätte eine super Rollenspielszene abgegeben. Einzig, ob die Intention der Autoren es war zum Ende die Gruppe zu splitten (zwei fahren immerhin das Rennen), weiß ich nicht. Dies kommt einem realen Film sehr nahe, aber ist am Tisch immer etwas unschön.

An manchen Stellen schien mir das Regelsystem von New Hong Kong Story etwas zu umfangreich. Ein Großteil des Spiels legt den Fokus auf Kampf und hier sind einige Würfe notwendig (z.B. für Angriff und Verteidigung). Für ein cineastisches Spielsystem, was New Hong Kong Story ja ist und sein will, hätten es vielleicht auch einfachere Mechaniken wie z.B. aus der Welt von PbtA und Into the Odd getan. Ich hatte beim Spielen nun nicht das Gefühl, dass New Hong Kong Story ein so umfängliches Kampfsystem benötigt hätte. Die coolen Szenen, Stunts und Aktionen kamen weniger aus dem Regelwerk als aus der schönen Idee, welche New Hong Kong Story vermittelt.

Für wen ist New Hong Kong Story etwas?

Es ist auf jeden Fall für alle Leute etwas, die dem Genre Hong Kong Filme verfallen sind. Für dieses Genre ist New Hong Kong Story ein schönes Rollenspielwerk. Es ist solide geschrieben, aufgebaut und spielt sich flüssig. Aktive Parade und an manchen Stellen detaillierte Regeln (Schaden beim Sturz nach Materialarten z.B.) sind nicht für jeden etwas, aber andere Spiele werden auch genau wegen solchen Regeln geliebt. Alles in allem unterstützte das Regelwerk aber das, was es erreichen will und schlägt auch geschickt eine Brücke zwischen den verschiedenen Subgenres der Hong Kong Filme.

Es half sehr sich in die Welt der Schauspielerei und des Films zu begeben, anstatt in Gedanken am Tisch zu sitzen, dass wir ein Rollenspiel spielen. Nein, wir drehten einen Film! Wer Hong Kong Filme liebt und seinen eigenen Donnie Yen spielen mag, ist hier gut aufgehoben.

Fazit

Benjamin

Von New Hong Kong Story hatte ich im Vorfeld schon viel Gutes gehört und auch wenn mir Hong Kong Film als Begriff für ein ganzes Genre neu war, hat eine kurze Recherche ergeben, dass ich zumindest ein paar der Vorlagen kenne. Unterm Strich war mir klar: Es geht um Action, Action, Action! Dementsprechend neugierig war ich auf das System, da ich sowieso ein Fan von leichten, cinematischen Regelsystemen bin.
Daher war ich zunächst eher ernüchtert von dem eher klassischen System mit der detaillierter auflösenden Fertigkeitentliste. Der eigentliche Würfelmechanismus hat sich aber als unkompliziert und funktional herausgestellt.

Die regelseitige Trennung von Rolle und Schauspieler ist eine tolle Idee, die aber im eigentlichen Spiel bis auf die Werte kaum einen Einfluss hat. So neigt man doch dazu, sich auf die eigentliche Rolle zu beschränken. Im eigentlichen Spiel wurde daher die Möglichkeit des Metaelements „Filmdreh“ meiner Ansicht nach verschenkt.

Ansonsten wird das Setting über sehr stimmungsvolle, zum Genre passende Vorteile, einer Mechanik gedrehte Filme und Awards gut eingefangen.

Auch ohne ein expliziter Fan dieser Filmgattung zu sein, hat mir das Spiel Spass gebracht, wenn auch die Erwartung, einen Filmdreh zu spielen (und beispielsweise außerhalb der Drehzeit Konflikte zwischen Schauspieler*innen zu erleben oder Ähnliches) leider nicht erfüllt wurde.

Katrin

Mir hat New Hongkong Story optisch sehr gefallen und ich mag die Idee dahinter. Es hat für meinen Geschmack aber zu viele Regeln dafür, dass man das Setting wahrscheinlich eher mit Oneshots bespielt. Die Regeln unterstützen auch nicht wirklich actionreiches Spiel. Dafür könnte ich mir viel besser Savage Worlds als Basis vorstellen. Die Charakterbögen sind wirklich liebevoll gemacht und auch Szenarien und das Regelbuch machen was her und fangen das Setting gut ein.

René

Mein schlussendliches Fazit zu New Hong Kong Story ist: Es erreicht, was es will und ist ein solides Werk. Für One-Shots, Cons und auch Filmreihen wie Taken oder ähnliches kann ich mir das Spiel super vorstellen.

Für meinen Teil könnte ich mir jedoch auch vorstellen, dass es kürzer und mit weniger Regeln genau dieselbe Stimmung und Atmosphäre übertragen könnte. Das Buch und Spiel simuliert hervorragend Film und Dreh, was sich für mich weniger aus den Kernregeln ergab, als aus den kleinen Regeln mit passenden Namen drum herum. Ich behaupte also, dass es minimalistischer nicht seinen Charme hätte einbüßen müssen, was für mich dieses Spiel so sehr aufwertet. Gleichzeitig hätte damit das Spiel sich vielleicht in den Actionszenen etwas flüssiger angefühlt.

Für die Bewertung des Films und Vergabe von Awards empfehle ich übrigens, dass dies in der Gruppe passiert und nicht nur von der Regisseur*in vergeben wird. Somit fühlt es sich nicht nur nach einer einzelnen subjektiven Meinung sowie Bewertung an, sondern einem Gesamtfeedback und Gesamtleistung des Teams!

Sebastian

New Hong Kong Story hat ein interessantes und auch amüsantes Meta-Konzept, das ich persönlich besonders für Conventions und dergleichen gut finde. Die Regelbasis spielt sich mit vorgefertigten Charakteren angenehm, aber scheint mir etwas überproportioniert zu sein, für das was das System nach meinem Verständnis erreichen möchte.

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